Samstag, 29. März 2014

Echo und Schlager

Eins vorneweg: Der Anlass, diesen Beitrag zu schreiben, war, dass selbst renommierte HipHop-Journalisten wie Falk Schacht plötzlich anfangen, Hetz-Blogeinträge gegen Helene Fischer und co. zu teilen und zu unterstreichen.

Ich selbst bin bekennender Schlager-Fan. War ich eigentlich schon immer. Vielleicht liegt das daran, dass ich, seit ich zehn bin, mit meinen Großeltern keinen Kontakt mehr habe und mich so unvorbelastet und allein an jegliche Musik herantasten konnte, vielleicht, weil ich ehrlicher bin als all die Heuchler, die immer über Schlager herziehen, aber kaum dass man im Club mal "Du hast mich tausend mal belogen" auflegt, lauthals mitsingen und mitsingen können. Vielleicht auch, weil Schlager, so seicht er auch sein mag, eine ordentliche Musikrichtung ist, die durchaus ihre Existenzberechtigung hat, ungeachtet des Alters des Hörers.

So richtig fing das Gemotze vor allem in den letzten ein, zwei Tagen an, als Helene Fischer beim Echo abgeräumt hat. Aber um es kurz zu halten: Natürlich gewinnt Helene Fischer. Natürlich gewinnt Beatrice Egli. Was erwarten die Leute denn von einem Musikpreis, der sich für so wichtig hält, dann aber in der Kategorie "Pop/Rock national" den Preis an Schnarchnase Tim Bendzko (über den ich noch kein Gemecker gelesen habe - scheiße, ist der langweilig!) und in der Kategorie "Bestes Video" Y-TITTY mit dem Preis adelt. Da hat Max Herre, der seinen Zenit (leider!) längst überschritten hat, sich gegen Größen wie Sido, Bushido, Marteria und Alligatoah durchgesetzt. Warum, weiß keiner. Ich habe Max Herre das letzte Jahr kein einziges mal im Radio gehört, ohne "The Voice" würde, ungeachtet seines neuen Albums, kein Hahn mehr nach ihm krähen. Versteht mich nicht falsch, ich mag Max Herre, aber sowohl Marteria als auch Alligatoah hatten riesen Hits, Sidos Album ist richtig gut, und gegen Bushido hat mich zum ersten mal seit Jahren wieder richtig begeistert mit seinem (zugegebenermaßen relativ stumpfen) "Sonny Black". Trotzdem gewinnt Max Herre, weil ist halt so. Und deshalb sollte niemand diesen Preis in irgendeiner Form repräsentativ sehen.

Aber ich weiche vom Thema ab.

Warum ist Schlager so verschrien? Klar ist es "alte Leute Musik", "anspruchslos", "einfach gestrickt", "kitschig", bla bla bla. Das selbe kann ich über 95% aller anderen Künstler und Musikrichtungen sagen und pauschalisieren. Schlager ist ebenso "gute Laune Musik", "Bierzeltmusik", "deutsche Musik", da kann man mitsingen, das vereint die Partygäste, das kommt gut an. Als ich vor einigen Wochen im Studentenclub mit einem Kumpel eine Schlagerparty veranstaltet habe, haben die Leute mitgetanzt, sowohl Gesellschaftstanz als auch normal, wie man halt im Club tanzt, mitgesungen und hatten einen riesen Spaß. Das mag daran, liegen, dass so eine Cluböffnung die Ausnahme und damit etwas besonderes ist, aber es hat funktioniert. Im Club herrschte eine super Athmosphäre und alle hatten Spaß zu Musik von 1953 bis 2014. Wenn ich hingegen in einen Club geh und dieseme zusammengewürfelte epilepsieerregende Kackscheiße von Avicii und co. höre und die Leute dazu abzappeln seh, wird mir persönlich schlecht.

Jetzt hat Helene Fischer mit "Atemlos" einen riesen Hit. Die meistgegoogelte Frau Deutschlands, Frau von Florian Silbereisen, astreiner Schlagerhintergrund. Und plötzlich macht sie Pop und alle meckern. Warum eigentlich? Weil keiner auch nur für einen halben Meter nachdenkt oder sich mit dem Thema beschäftigt. Was macht Schlager aus? Was macht Pop aus? Man kann einen Künstler nicht auf ein Genre beschränken. Cro sagt von sich selbst, er macht Raop, dann macht Helene Fischer eben Schlaop. Klingt doch cool, oder? Helene Fischer hat schon immer genau diese Sorte Musik gemacht. Ob "Phänomen", "Und morgen früh küss ich dich wach" und so weiter. Das hätte alles zu so einem Überraschungshit werden können. Wurde es aber nicht, weil es immer unter dem Label "Schlager" vermarktet wurde und Schlager sind bäh.

Manche beschweren sich nun, dass die Jugend den Schlager für sich entdeckt hat, aber das ist Schwachsinn. Die Jugend hat nur ein Lied für sich entdeckt, und das laden sie illegal aus dem Netz. Den Echo bekommen Helene Fischer und Beatrice Egli, weil ihre primäre Zielgruppe sich die Platten tatsächlich kauft, und die sekundäre das Teil runterlädt und das so viral geht. Und letztlich ist es für den Moment auch nur eine Phase. Kein Jugendlicher wird mir auch nur ein Lied von Roland Kaiser oder Rex Gildo nennen können. Die Jugend interessiert sich einen Scheiß für Schlager. Finito.

Sind wir doch einfach froh, dass einer der großen Hits dieses Jahr ein ordentlich durchkomponierter Song von einer Frau ist, die tatsächlich ordentlich singen kann, weil sie eine ordentliche Gesangsausbildung hat. Um mal daran zu erinnern: Pop hat Macarena, Dragostea din tei, Durch den Monsun und den Burger Dance über sich ergehen lassen müssen. Gönnen wir ihm doch den Ausflug in Richtung Schlager. Denn mehr als ein Ausflug wird es sicher nicht bleiben. Und falls ich falsch liege, würde ich mich freuen. Dann darf ich häufiger hinter das DJ-Pult.

Montag, 10. März 2014

Bahnbrechend

Ich nehme, wie vermutlich jeder, ab und an die Dienste eines landesweit agierenden Personenbeförderungsunternehmens in Anspruch. Da dies jedoch mittlerweile immer seltener geschieht und mir mit jedem mal mehr widerstrebt, dachte ich, dass ich mal ein paar Gründe dafür nennen könnte.


1. Zeit

Ich kenne kaum eine Verbindung, die schneller ist als mit dem Auto. Klar gibt es Direkt-Strecken, die gut durchkommen, aber die sind eher die Seltenheit. Wenn ich beispielsweise mit o.g. Unternehmen von Ilmenau/Thüringen nach Stuttgart fahren will, bin ich 5-6 Stunden unterwegs, mit dem Auto vielleicht 3. Besonders krass ist es, wenn ich meine Mutter in Aalen besuchen fahr, und aus 2,5 Stunden (Auto) schnell mal 7-8 Stunden werden können. Wenn man ICE schnellere Züge dazubucht, ist es in der Regel nur geringfügig schneller, dafür aber wesentlich teurer. Was mich zu meinem nächsten Punkt bringt.


2. Preis

Ich nutze (warum auch immer) ein Angebot des betreffenden Personenbeförderungsunternehmens, das gegen eine Einmalzahlung von 255 Euro, ermäßigt 127 Euro, erlaubt, die Fahrkarten für den halben Preis zu erwerben. Selbst mit dieser Karte und wenn man nur Regionalverkehr nutzt, zahlt man häufig mehr für eine Fahrkarte, als der Sprit bei der entsprechenden Autofahrt kosten würde. Spätestens sobald man zu zweit unterwegs ist, kommt man also mit dem Auto günstiger weg, manchmal schon allein. Wenn man das Rabattangebot nicht nutzt, sowieso.


3. Sparangebote, oder: Wo ist der Haken?

Das Unternehmen bietet auch Aktionen an, die manchmal relativ günstig sein können. So kann man etwa als jemand, der alleine fährt, für 23 Euro durch ganz Baden-Württemberg fahren, das kann erweitert werden für bis zu 5 Personen, wobei pro zusätzlichem Mitfahrer 4 Euro zugezahlt werden müssen. Da braucht es keine Karten oder so, um einen guten Preis zu bekommen. Selbstverständlich gilt das nur in Regionalbahnen, aber das ist zu verkraften. Trotzdem hatte ich mit diesen Angeboten auch häufig genug Probleme: Trotz der Ankündigung, damit im ganzen Bundesland mit allen Zügen fahren zu können, reichen 2 Angebote angrenzender Bundesländer nicht aus, um die Grenze zu überschreiten, denn die Angebote gelten entgegen aller Versprechen nur bis zum jeweils letzten Bahnhof des Bundeslandes - für die Strecke von der letzten Station in Bundesland A bis zum ersten Bahnhof in Bundesland B muss ein Ticket gelöst werden, wodurch dann pro Person noch einmal locker 5 Euro draufgerechnet werden können. Dazu kommt die Inkonsistenz bei der Gültigkeit in städtischen Verkehrsbetrieben. Teilweise gilt das Ticket, teilweise nicht, teilweise nur in Bussen, aber nicht in Straßenbahnen, und so weiter. Außerdem gilt das Ticket erst ab 9 Uhr, dafür bis nachts um 3. Wer also einen Tagesausflug plant, darf erst um 9 Uhr losfahren, dafür bis 3 Uhr unterwegs sein. Dass die letzten Züge selbst an den Wochenenden meist nicht nach 0 oder 1 Uhr fahren, bleibt dabei vollkommen außer Acht.


4. Die Fahrgastrechte

HAHAHAHA!!!!! (Im Ernst, wenn ihr Wartezeit am Bahnhof habt, lest euch das durch. Sollte überall aushängen.)


5. Die Zu- und Umstände beim Reisen

Klar - es kommt häufig genug vor, dass man eine gute Verbindung hat, Platz im Zug ist und die Züge ordentlich sind. Aber wesentlich häufiger, dass mindestens einer, wenn nicht alle drei Faktoren nicht zutreffen.

Jeder kennt es wohl, durch den Bahnhof zu hetzen, weil die Umsteigezeit zu niedrig angesetzt war, und den Zug dann doch zu verpassen (ergänzend dazu siehe Punkt 4 - Die Fahrgastrechte), nicht rechtzeitig nach Hause zu kommen und dann ist das Essen schon kalt, dass die Frau auf den Tisch gestellt hat. Solche tragischen Schicksale gibt es tagtäglich zu tausenden. Häufig genug ist das auch dadurch bedingt, dass man zu spät im Bahnhof ankommt, weil der Zug noch auf Fahrgäste eines verspäteten Zuges gewartet hat, der Zug in den man umzusteigen gedenkt, wartet aber nicht.

Die Züge sind, vor allem für große Menschen, teilweise einfach zu eng. Das sei mal dahingestellt, ist zwar scheiße, aber kann man nicht ändern. Wenn Züge aber regelmäßig einfach zu voll gestopft sind, ist etwas schlecht geplant. Die Strecke Erfurt-Jena ist quasi immer überfüllt, gerade zu Stoßzeiten. Das Beförderungsunternehmen hängt da aber keinen zusätzlichen Wagen dran, weil es sich darauf verlässt, dass die Leute damit rechnen, weil der Zug ja sowieso immer überfüllt ist. Bei den Schnellzügen des Unternehmens, für die man ohnehin schon das doppelte zahlt, kann man gleich nochmal ein paar Euro für eine Sitzplatzreservierung drauflegen, da man sonst unter Garantie keinen bekommt.

Über den Zustand der Züge will ich gar nicht zu viele Worte verlieren, nur zwei Punkte:
1. Ist es so schwer, vor dem Start eines Zuges die Mülleimer zu leeren, zumindest die, die schon nicht mehr zugehen, und kurz mal den Boden zu wischen, zumindest da, wo die Schuhe beim laufen kleben? Ich würde sagen nein. Ich scheine falsch zu liegen.
2. Nehmt euch mal so ein Reise-Desinfektionsreinigungsspray mit, besprüht damit Sitz oder Fenster und zieht es mit einem Taschentuch ab. Das mag jetzt pedantisch und kleinkarriert erscheinen, aber das ist erschreckend und hochgradig unhygienisch, wie dreckig die Sitze sind, auch wenn sie sauber erscheinen.


6. Dieser Maulwurf

Mal ehrlich: Welches Unternehmen hat ein Maskottchen, das Leute vertröstet, weil Bahnen sich verspäten oder ganz ausfallen?


7. Zu guter Letzt: Die Strecke Würzburg-Erfurt

Ich will nicht wissen, was da für Kräfte auf den Körper wirken, aber danach geht es mir schlechter als in jeder Achterbahn. Gerade das Stück zwischen Grimmenthal und Plaue zaubert jedem Mitfahrer ein Kotzen ins Gesicht.


Nun ist aber genug gemeckert. Übrigens möchte ich an dieser Stelle betonen, dass das ein reines Gedankenexperiment war. Ein tatsächlich existierendes Unternehmen wäre in dieser Form undenkbar.

Mittwoch, 5. März 2014

Videospiele als Kunstprodukte

Das ewig verschobene und lang erwartete South Park RPG "The Stick of Truth" bzw. "Der Stab der Wahrheit" wurde in Deutschland erneut verschoben. Grund dafür ist, nach Angaben der Macher, ein Hakenkreuz, was noch im Spiel zu sehen ist, eines aus tausend. Nun ist es natürlich so, dass das ein verfassungsfeindliches Symbol ist, wodurch eine Abbildung strafbar ist, solange es nicht im Rahmen eines Kunstprodukts oder ähnlichem (vgl. §86 Abs. 3 StGB) stattfindet.

Dass Videospiele Kunstprodukte sein sollen, wird schon seit langem abgestritten. Dadurch hat man WW2-Shooter ohne Hakenkreuze, aber mit angedeuteten Krakeleien auf Fahnen und Armbinden. Ich fange jetzt keine Diskussion darüber an, ob es als Lehrzweck durchgehen würde, Nazis authentisch abzuknallen, ich will nur erwähnen, dass das ja nicht das erste mal ist, dass in einem Videospiel das Skalpell angesetzt wurde, um Hakenkreuze zu entfernen. Aber das weiß wohl eh schon jeder.

Was macht nun ein Kunstprodukt aus? Filme und Musik sollen Kunstprodukte sein, Videospiele nicht. Warum eigentlich?

Der ab 16 Jahren freigegebene "American History X", der den Lebensweg eines Neonazis beschreibt, kann und wird - gerade von geistig nicht ganz im Saft stehenden Teenagern - leicht missgedeutet. Die Läuterung wird ausgeklammert, übrig bleibt ein Mann mit Hakenkreuz auf der Brust und das berühmt-berüchtigte "Bordstein"-Zitat. Wer mir erzählt, dass das für Jugendliche in ihrer Selbstfindungsphase, gerade wenn sie obendrein noch Stress in der Schule, gegebenenfalls sogar mit ausländischen Mitbürgern, haben, nicht gefährlich ist, der hat nicht mehr alle Latten am Zaun. Wie gesagt, der Film ist ab 16 Jahren freigegeben.
(Trotzdem guter sehenswerter Film!)

Musikalisch kann man, solange man nicht offen Propaganda für das dritte Reich und Hitler, bzw. gegen Ausländer macht, sowieso alles machen, wird sogar zum Echo eingeladen, und so die Köpfe der Kinder weichspülen. Gerade Musik ist ein nicht zu unterschätzender Bestandteil des Alltags der Jugend, nach dem im Zweifelsfall der ganze Lebensstil gerichtet wird. Wie ein Hakenkreuz aussieht, weiß sowieso jeder, gefährlich ist das Denken, das den Leuten eingepflanzt wird, und das passiert bei vielen Bands, die nicht geächtet, teilweise sogar angesehen werden.

Und was ist mit Videospielen?
Man konnte "Grand Theft Auto V" in den letzten Monaten einfach nicht aus dem Weg gehen. Anzeigen in allen Zeitschriften, Berichte in Nachrichten, nicht zuletzt 3 Einträge in das Guinness Buch für die abnormal hohen Verkaufszahlen und -geschwindigkeiten. Männer wie Frauen, jung wie alt, jeder liebt dieses Spiel. Spiele wie "Heavy Rain" oder "L.A. Noire" haben mehr Anspruch und Ästhetik als so mancher jeder Til-Schweiger-Film. Nerd zu sein heißt lange nicht mehr im Keller zu sitzen, sondern wurde vielmehr zu einem popkulturellen Phänomen, Lebens- und Kleidungsstil. In Videospielen steckt ebenso viel Arbeit, wenn nicht noch mehr, wie in einem aufwändigen Film, und es ist ebenso Teil unserer Kultur. Hier kann man doch Hakenkreuze - unter den selben Auflagen wie bei den anderen Punkten des §86 Abs. 3 StGB - zulassen, warum sollten sie hier mehr oder weniger Schaden anrichten als sonstwo? Diese Argumentation ist nichts halbes und nichts ganzes. Ich will entweder ungekürzte Spiele, oder gekürzte Knopp-Dokumentationen.

Dass das South Park Spiel wegen eines Hakenkreuzes neu gepresst werden muss, während sogenannte "Kunstprodukte" tagtäglich in kleinen Kindern rechtes Gedankengut schüren, ist einfach lachhaft. Tut mir leid, wenn es hier keine Pointe gibt, mehr kann man nicht dazu sagen. Die Entwickler müssen uns doch für vollkommen bescheuert halten.